Im Dezember vergangenen Jahres vertagte ein Teil der SPD-Fraktion im Bundestag in der Großen Koalition die Entscheidung, ob die Bundeswehr mit den neuen Heron-TP-Drohnen bewaffnet werden darf. Die Fraktionsmitglieder begründeten ihren Schritt damit, dass dieses Thema nicht ausreichend debattiert wäre. Dies sorgte nicht nur für Empörung bei der CDU, sondern auch innerhalb der SPD wurde dieser Kurswechsel mit Kritik und Unverständnis begegnet. Generalsekretär Lars Klingbeil, Außenminister Heiko Maas und die Wehrbeauftragte Eva Högl sprachen sich daraufhin klar für die Einführung bewaffneter Drohnen aus. Doch worum geht es bei dieser Debatte genau? Hier wollen wir etwas Licht ins Dunkel bringen und informieren.
Verwendet die Bundeswehr derzeit bereits Drohnen?
Die Bundeswehr setzt bislang unbewaffnete Drohnen des israelischen Typs Heron allein für Aufklärungszwecke und zur Erstellung von Lagebildern ein. Diese 14 Meter langen unbemannten Flugkörper haben eine Flügelspannweite von 26 Metern und waren stets ohne Waffen ausgerüstet. Der Hersteller Israel Aerospace Industries (IAI) entwickelte jetzt eine modernere Heron-Variante, die mit leichten Raketensystemen ausgestattet werden kann. Diese Raketen können aus der Ferne vom stationären Leitstand aus auf feindliche Ziele abgefeuert werden. Für schwerere Munitionsarten wie z. B. Bomben sind die Heron-Drohnen nicht ausgerichtet, weil ihre Tragkraft dazu nicht ausreicht.
Sind aktuell deutsche Soldaten bei Auslandseinsätzen tatsächlich in Gefahr, wenn die Bundeswehr über keinerlei bewaffneten Kampfdrohnen verfügt?
Dies kommt auf die Art des Auslandseinsatzes an. In Afghanistan sind Bundeswehr-Soldaten bei der Mission „Resolute Support“ nur noch mit der Ausbildung von Streitkräften der afghanischen Regierung beteiligt. Der NATO-Kampfeinsatz in Afghanistan gilt seit 2014 als beendet. Ganz anders sieht die Situation im nordwest-afrikanischen Mali aus, in dem seit dem Aufstand der nomadischen Tuareg im Jahre 2012 ein erbitterter Bürgerkrieg herrscht. Den Konflikt nutzen als „dritte Partei“ islamistische Terrormilizen für die eigene Vormachtstellung im zerrütteten Land aus. Hier unterstützen Bundeswehr-Soldaten den NATO-Blauhelm-Einsatz Minusma, indem sie in gefährlichen Regionen auf Patrouille gehen. Dabei können sie das Ziel von plözlichen Überfällen islamistischer Terrorgruppen werden.
Hierbei könnte eine bewaffnete Drohne die deutschen Soldaten begleiten und im Ernstfall angreifende Terroristen rechtzeitig erspähen und ausschalten. Bislang hat ein solcher Zwischenfall noch nicht stattgefunden, weil bereits im Vorfeld Aufklärungsdrohnen des Typs Heron das Operationsgebiet sondiert haben. Darüber hinaus greifen die ebenfalls dort stationierten französischen Streitkräfte bereits auf bewaffnete Drohnen zurück und können den deutschen Kameraden Schützenhilfe geben. 2017 wurden zum Beispiel sieben Dschihadisten von solchen Drohnen getötet, als sie einen französischen Trupp überfallen wollten.
Warum benötigt die Bundeswehr bewaffnete Drohnen?
Zwar besteht zum aktuellen Zeitpunkt kein direktes Bedrohungspotential für Bundeswehr-Soldaten bei den derzeitigen Auslandseinsätzen, die eigene bewaffnete Drohnen notwendig werden lassen, aber bei den vergangenen Operationen in Krisengebieten hätten sie so manche gefährliche Situation für deutsche Soldaten sicherer gestaltet und wesentlich entschärft. Denn in den damaligen Kampfeinsätzen in Afghanistan vor 2014 gerieten deutsche Einheiten sehr häufig in Feuergefechten mit Taliban-Milizen und Al-Qaida-Terroristen.
Hier sei zum Beispiel das so genannte „Karfreitagsgefecht“ genannt, bei dem am 2. April 2010 nahe Kundus eine Fallschirmjägereinheit von radikal-islamischen Taliban-Kämpfern beschossen wurde. Die deutschen Soldaten waren gerade dabei, Sprengfallen aufzuspüren und zu beseitigen. Plötzlich wurden sie von rund 40 Taliban aus dem Hinterhalt unter massives Gewehrfeuer genommen. Drei Bundeswehr-Soldaten wurden getötet, acht schwer verwundet. Wäre der deutsche Fallschirmjäger-Verband von einer bewaffneten Drohne begleitet gewesen, hätte diese die feindlichen Kräfte früher erspäht und unschädlich machen können.
Welche Vorteile haben bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr?
Drohnen können unbemerkt mehrere Stunden lang über dem Gefechtsgebiet operieren und Ziele mit hoher Präzision zerstören. Schweres Artilleriefeuer dagegen oder Bomben, die von einem Kampfjet abgeschossen werden, haben einen großflächigeren und ungenaueren Zerstörungsradius. Dies hat besonders auf unbeteiligte Zivilisten verheerende Folgen, wenn sich in der Nähe der feindlichen Personen und Objekte Dörfer und Siedlungen befinden. Die Gefahr, dass Unschuldige ums Leben kommen ist viel zu hoch, wie die vergangenen Luftangriffe der US-Airforce beweisen.
Hierbei fällt einem sofort der fatale Luftschlag am Fluss Kundus im Jahre 2009 ein. Damals befahl die Bundeswehr einen Bombenangriff auf zwei Tanklastzüge, die zuvor von Taliban entführt worden waren. Zwei amerikanische Kampfjets des Typs F-15 hatten falsche Informationen an den deutschen Gefechtstand übermittelt und dann auf Befehl von Oberst Georg Klein die LKWs bombardiert. Um die 100 Menschen wurden bei dem Militärschlag getötet, denn nahe Dorfbewohner hatten sich aus Neugier dem festgefahrenen Konvoi der Taliban genähert, um unter anderem Benzin abzuzapfen. Eine eigene deutsche Drohne hätte viel genauere Aufklärungsdaten geliefert und am Leitstand erkennen lassen, dass sich viele Unschuldige im Zielgebiet aufgehalten hatten. Zudem hätte eine Heron-Drohne mit leichten Raketen eine viel geringere Explosionswucht entfacht als die schwere Bombensalve der F-15-Jagdmaschinen.
Darf die Bundeswehr gezielt Personen mit bewaffneten Drohnen töten wie das US-Militär?
Unser deutsches Grundgesetz verbietet zurecht sowohl die Todesstrafe als auch völkerrechtswidrige Tötungen. Ein“Drohnenkrieg“, wie ihn seit Jahren die USA mit bewaffneten Drohnen gegen islamistische Terroristenführer ausüben, wäre nach dem deutschen Recht illegal. Die im Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD beschlossene Handlungsweise mit bewaffneten Drohnen schränkt sogar deren Einsatz im gewöhnlichen Gefecht stark ein, um gewisse Grauzonen bei der Entscheidungfindung eines Abschussbefehls zu vermeiden. Einen möglichen Missbrauch durch Drohnen schließt dies generell allerdings nicht aus.
Warum scherte die SPD-Fraktion im Dezember 2020 plötzlich aus der Vereinbarung des Koalitionsvertrags aus?
Als Ursache für den plötzlichen Sinneswandel der SPD-Fraktion im Bundestag war sicherlich der Konflikt zwischen den verfeindeten Staaten Aserbaidschan und Armenien, der im Herbst des vergangenen Jahres im heiß umkämpften Gebiet Bergkarabach aufflammte. Die Türkei unterstützte ihren Verbündeten Aserbaidschan mit bewaffneten Drohnen, denen die an sich starke armenische Armee absolut nichts entgegen zu setzen hatte. Mühelos erspähten die türkischen Drohnen armenische Panzer und vernichteten sie spielend einfach aus der Luft heraus. Das ungleiche Kräftemessen wurde allein durch „unsichtbare“ Drohnen am Himmel entschieden, die als neue Kriegswaffe so bedeutend in der technologischen Militärgeschichte gelten wie einst der Düsenjet und der Kampfhelikopter. Und die Kriegspartei, die über keinerlei Drohnen verfügt, kann sich dagegen praktisch nicht wehren.
Der überwiegende Teil der SPD-Spitze hat aus dem Konflikt um Bergkarabach die moralische Schlussfolgerung gezogen, dass Deutschland sich lieber nicht am Wettrüsten im Drohnenkrieg beteiligen sollte. Generell sehen viele Skeptiker von Kampfdrohnen, dass unbemannte bewaffnete Drohnen der Beginn einer Ära von Killer-Robotern sein könnten, wie einige düstere Science-Fiction-Filme es bereits prophezeit haben. Was viele Medien und Kritiker der SPD bei dem Streit um die Drohnen jedoch nicht verstanden haben ist, dass die Sozialdemokraten im Bundestag die Entscheidung nur ausgesetzt und die Einführung bewaffneter Drohnen nicht vollends abgelehnt haben. Hier wünscht sich die SPD viel eher, dass ein solch gravierender Beschluss nicht einfach nur durchgewunken wird, sondern tiefer und eingehender diskutiert wird.
Wie steht die SPD Munster zu bewaffneten Drohnen?
Wir Munsteraner Sozialdemokraten stehen militärischem Wettrüsten und der Entwicklung noch modernerer und effizienterer Waffensysteme generell ablehnend und äußerst kritisch entgegen. Die Einführung bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr müssen wir jedoch viel differenzierter betrachten. Den Einsatz deutscher Soldaten in ausländischen Krisengebieten erkennen wir mit sehr hoher Wertschätzung und Stolz an. Die an NATO- und Blauhelm-Missionen teilnehmenden Frauen und Männer beschützen mit ihrem Leben Zivilisten vor Terror und Tyrannei, helfen beim Aufbau von lebensnotwendigen Infrastrukturen und zeigen der Weltöffentlichkeit, dass Deutschland sich nicht versteckt bei internationalen Friedensmissionen.
Deutschland wird sich auch zukünftig an Auslandseinsätzen der NATO und UN beteiligen und Bundeswehr-Soldaten in lebensgefährliche Regionen rund um den Globus entsenden. Daher ist die SPD Munster davon überzeugt, dass die Bundesregierung ihre Truppen mit der modernsten und sichersten Ausrüstung ausreichend bestücken muss. Dazu gehören auch bewaffnete Drohnen, wie solch tragische Ereignisse wie das „Karfreitagsgefecht“ oder der Bombenabwurf am Kundus-Fluss beweisen.
Es wird nicht sehr lange dauern, dann gelten Kampfdrohnen als Standardwaffe einer modernen Armee und sich ihr zu verweigern wäre etwa so, als hätte ein Land wie Frankreich oder Großbritannien zu Beginn des 20. Jahrhunderts entschieden, niemals Kampfflugzeuge und Panzer anzuschaffen, während das deutsche Kaiserreich eine schlagkräftige Luftwaffe aufbaute und den A7V „Wotan“ konstruierte. Wenn Deutschland bei NATO-Einsätzen weiterhin mitmischen möchte, darf es sich in seiner Einsatzbereitschaft nicht weiter schwächen.
Natürlich darf eine Kampfdrohne niemals mit Künstlicher Intelligenz ausgestattet werden, um zum unberechenbaren Killer-Roboter abzustumpfen. Aber es spricht unserer Ansicht nach vieles dagegen, dass dies überhaupt jemals passieren wird. Kein anderes Waffensystem wird derzeit von so vielen Menschen kontrolliert wie eine Drohne. Im Bodenleitstand sitzen zwei Piloten vor einer Wand aus Bildschirmen und analysieren die Bildinformationen, die ihnen die High-Tech-Kameras des Flugkörpers übermitteln. Die Flugmanöver und der Abschuss der Raketen wird ausschließlich per Hand am Steuerknüppel ausgeführt – wie bei einem Kampfjet, nur dass die Piloten nicht im Flugzeug sitzen sondern weit weg in sicherer Entfernung. Autonome Waffensysteme in Drohnen, die nicht von Menschenhand gesteuert werden, lehnen wir kategorisch ab.
Vielleicht ist es sogar sehr gut, dass jetzt nicht nur im Parlament sondern auch in der Öffentlichkeit noch einmal genau diskutiert wird, ob die Bundeswehr bewaffnete Drohnen einsetzen darf oder nicht. Denn der Schutz unserer Soldaten und die tödliche Verwendung von neuartigen Waffen darf in unserer Gesellschaft niemals leichtfertig und unüberlegt geschehen. Den Einsatz von Kampfdrohnen für die Bundeswehr halten wir von der SPD Munster für sinnvoll, deren tatsächliche Umsetzung muss aber auf rechtlichen Grundsätzen erfolgen und jede Form von Missbrauch muss klar ausgeschlossen werden. Dies sind wir unseren Soldatinnen und Soldaten wie auch den Zivilisten in den Krisengebieten schuldig, in denen unsere Bundeswehr agieren wird.