Arbeitswelt 2019 – Ausbildungsvergütung

Die Grafik zeigt das Ausbildungsgehalt der genannten Branchen als Durchschnittswert aller Lehrjahre und Regionen.

Am 01. August 2019 beginnt für viele junge Menschen ein neuer Schritt auf ihrem Weg zur Berufstätigkeit: Denn dann starten viele Jugendliche ihre berufliche Ausbildung. Dann bekommen sie häufig von vielen Älteren zu hören, dass für sie der „Ernst des Lebens“ fortan gilt und „Lehrjahre nun mal keine Herrenjahre“ sind. Dies bekommt ein wesentlicher Teil der Azubis tatsächlich bereits bei ihrer ersten Lohnüberweisung zu spüren. Andere Azubis brauchen im Grunde nicht klagen, da sie teilweise bereits fast so viel verdienen wie so manch vollausgebildeter Arbeitnehmer.

Die Hans-Böckler-Stiftung des Deutschen Gewerkschaftsbunds hat jetzt eine Studie herausgegeben, die sich explizit mit den aktuellen tariflichen Löhnen von Lehrlingen beschäftigt. Dabei hat das Institut die Ausbildungsvergütungen in 20 Tarifbranchen ausgewertet und dabei zum Teil krasse Unterschiede zu den einzelnen Branchen und auch Regionen festgestellt. Die Spannbreite reicht von 325 Euro im Friseurhandwerk in Brandenburg im ersten Ausbildungsjahr bis zu 1.580 Euro im westdeutschen Bauhauptgewerbe im 4. Ausbildungsjahr.

Zur Gruppe mit den höchsten Lehrlingsgehältern im 1. Lehrjahr, zwischen 900 bis gut 1000 Euro, gehören unter anderem Banken und Versicherungen, der öffentliche Dienst, die chemische Industrie, die Druckindustrie und die Deutsche Bahn. Branchenspitzenreiter ist die Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg: Wer dort mit seiner Lehre startet, erhält derzeit bereits 1.037 Euro im Monat ausgezahlt.

Verhältnismäßig gering ist dagegen die Gruppe mit Ausbildungsvergütungen von weniger als 600 Euro. Das Bäcker-, das Friseurhandwerk und das Floristengewerbe zählen dazu. Vor allem das branchenspezifische Verhältnis zwischen Ost und West weist für dasselbe Ausbildungsjahr starke Differenzen auf. Floristen bekommen zum Beispiel im Osten zum Monatsende im 1. Lehrjahr nur etwa 400 Euro. Im Westen allerdings sind es 604 Euro, was die zum Teil großen regionalen Unterschiede in Deutschland verdeutlicht. Im Kfz-Handwerk beispielsweise verdienen Azubis in Baden-Württemberg im ersten Jahr 819 Euro, in Thüringen nur 650 Euro.

Mindestlohn für Auszubildende

Daher forderte die SPD in ihrem Koalitionsvertrag auch die Ausweitung des Mindestlohns für Auszubildende, um besonders der unteren Vergütungsgruppe den Anreiz einer Ausbildung zu liefern und zudem eine Grundsicherung der Lebenshaltungskosten zu gewährleisten. Mitte Mai 2019 wurde ein solcher Gesetzesentwurf verabschiedet. Der Azubi-Mindestlohn soll 2020 zunächst bei 515 Euro im ersten Lehrjahr liegen und danach Jahr für Jahr schrittweise ansteigen bis auf 620 Euro im Jahr 2023. Es gibt jedoch Ausnahmen, wenn zum Beispiel ein Tarifvertrag eine niedrigere Entlohnung von Lehrlingen festlegt.

Was ist mit dem Azubi-Gehalt von Pflege- und Heimkindern?

In den vergangenen Wochen wurde in den Medien wieder verstärkt kritisiert, dass Pflegekinder einen großen Teil ihres Gehalts dem Staat zurückzahlen müssen, wenn sie Geld verdienen – was auch Auszubildende und ihre Vergütung miteinschließt. Im Schnitt erhalten Pflegeeltern monatlich 800 bis 1.000 € vom Jugendamt, um davon den Unterhalt und die Erziehungskosten zu bezahlen. Darunter fällt zum Beispiel die Miete, Essen, Kleidung, Schulsachen, Taschengeld, aber auch Nebenkosten wie zum Beispiel die Fahrt zum Elternabend.

Im Gegenzug ist im Sozialgesetzbuch VIII, § 94, festgelegt, wie viel von diesen Leistungen Azubis, die Pflegekinder sind, wieder von ihrem Verdienst zurückgeben müssen. Und da langt der Sozialstaat ordentlich hin: bis zu 75% holt sich die öffentliche Hand von der monatlichen Ausbildungsvergütung zurück. Das bedeutet, wenn der betroffene Lehrling 855 Euro brutto verdient, bleiben ihm zum Schluss nur noch 214 Euro übrig.

Davon sind auch nicht nur Pflegekinder betroffen, von denen es 2016 laut Statistischem Bundesamt etwa 90.000 gab. Aktuellere Zahlen stehen leider nicht zur Verfügung. Auch bei Jugendlichen, die in Heimen und ähnlichen Betreuungseinrichtungen aufgewachsen sind oder dort noch leben, hält der Staat fordernd die Hand auf, wenn sie Geld verdienen. Im Jahre 2016 gab es 142.000 Heimkinder.

Diese Regelung ist in vieler Hinsicht ungerecht und hat eher eine demotivierende Wirkung auf junge Menschen, die einer Pflegefamilie oder einem Kinderheim entstammen. Zum einen können Pflegekinder persönlich nichts dafür, wenn sie ohne ihre leiblichen Eltern aufwachsen mussten. Zum anderen erhalten sie durch diese Maßnahme das Gefühl, weiterhin aus der Gesellschaft ausgegrenzt zu sein, wenn ihre anderen Ausbildungskollegen das volle Gehalt beziehen und behalten dürfen und sie selbst nicht.

Sozialarbeiter in Kinderheimen schildern, dass häufig viele ihrer jugendlichen Schützlinge die Berufsausbildung unmittelbar wieder aufgeben, sobald sie erfahren, dass sie satte 75% ihres Lohns wieder abgeben müssen. Sie haben dann schnell das Gefühl, dass es sich nicht lohnt zu arbeiten. Der Schritt, ein weiteres Dasein als Sozialhilfeempfänger zu führen, das ertragreicher und einfacher sei, liegt dann nicht mehr fern.

Die Bundesregierung hat auf die Kritik reagiert und verspricht, die Ungleichbehandlung zu ändern. Im Kinder- und Jugendstärkungsgesetz sei vorgesehen, dass Pflegekinder maximal nur noch die Hälfte ihres Einkommens abgeben müssen. Von kleineren Beträgen bis zu 150 Euro aus Schülerjobs oder Praktika will der Staat künftig komplett die Finger lassen. Das Gesetz wurde bereits 2017 im Bundestag verabschiedet, allerdings hat der Bundesrat die Gesetzesvorlage um 2 Jahre hinausgezögert. Voraussichtlich soll es Ende 2019 erst in Kraft treten.

Wünschenswert wäre es jedoch, wenn der Sozialstaat seine Fürsorgepflicht soweit ausdehnen würde, dass Pflege- und Heimkinder in ihrer Berufsausbildung nicht mehr unter ihrer familiären Situation zusätzlich leiden müssten und stattdessen das Gefühl empfinden, genauso wertvoll im Berufsleben zu sein und gleichberechtigt behandelt zu werden, wie alle anderen Azubis ihres Alters auch.