Als am 01. Januar 2015 der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland eingeführt wurde, konnten die Stimmungen und Meinungen nicht gegensätzlicher sein. Während viele Wirtschaftsverbände prophezeiten, dass massenhafte Stellenkürzungen und unvermeidbare Nachteile im internationalen Wettbewerb für die deutsche Wirtschaft drohen würden, legten die Arbeitnehmer große Hoffnungen darin, dass endgültig dem größer werdenden Niedriglohnsektor und der wachsenden Armut in der Bevölkerung Einhalt geboten wird. Vier Jahre danach ist die deutsche Wirtschaft nachweislich nicht zusammengebrochen und auch die Arbeitslosenquote verzeichnet seitdem einen stetigen Rückgang. Und 2017 wie auch 2019 wurde der Mindestlohn zudem noch zweimal erhöht.
Doch was hat sich auf der Seite der Beschäftigten geändert? Sorgt der Mindestlohn tatsächlich dafür, dass Dumping-Löhne ein für allemal beseitigt werden? Hat sich die Schwarzarbeit in der Schattenwirtschaft vermehrt? Reicht der derzeitige Mindestlohn überhaupt aus, um vernünftig davon leben zu können? Und wie wird der Mindestlohn überhaupt festgelegt – wohl kalkuliert oder eher willkürlich? Mit diesen Fragen will sich diese Rubrik auf unserer Seite auseinandersetzen und beginnen möchten wir mit der letzten Frage: Wie wird der Mindestlohn berechnet?
Der Mindestlohn wird von einer neun-köpfigen Kommission festgelegt, die unabhängig von politischer Einflussnahme alle zwei Jahre über seine Höhe entscheiden muss. Dieses Gremium wird neben einem Vorsitzenden aus jeweils drei Vertretern der Gewerkschaften und drei Vertretern der Arbeitgeberseite sowie aus zwei Wissenschaftlern gebildet, die als Berater ohne Stimmrecht auftreten. Bislang hat die Mindestlohn-Kommission seit der Einführung den Betrag dreimal anpassen müssen. Als Vorgabe orientiert sich die Mindestlohn-Kommission dabei für ihre Entscheidungen beim Tariflohn-Index, der vom Statistischen Bundesamt ermittelt wird, und den letzten Tarifabschlüssen in der Metall- und Elektroindustrie, der Baubranche sowie dem Öffentlichen Dienst.
Am 1. Januar 2019 wurde der gesetzliche Mindestlohn von 8,84 Euro auf derzeit 9,19 Euro pro Stunde angehoben. Daraus ergibt sich aus der durchschnittlichen Vollzeitbeschäftigung ein Bruttogehalt von 1.526,40 € – und somit ein Nettogehalt von 1.139,77 € (Steuerklasse 1, keine Kinder). Damit hat sich zum Jahreswechsel das monatliche Nettogehalt im Schnitt um 82 € gesteigert. Zum 1. Januar 2020 wird dann der Mindestlohn in der zweiten Stufe auf 9,35 Euro angehoben. Obwohl der gesetzliche Mindestlohn generell für alle volljährigen Arbeitnehmer gilt, hat dennoch nicht jeder Berufstätige einen Anspruch darauf. So gehören zu diesen Ausnahmen zum Beispiel Langzeitarbeitslose nach Aufnahme einer Arbeit in den ersten sechs Monaten. Auszubildende, Pflichtpraktikanten und Praktikanten mit Vertragsdauer unter drei Monaten fallen ebenso darunter.
Der Mindestlohn wird also von einer festen Gruppe aus Repräsentanten der Arbeitgeber und Arbeitnehmer festgesetzt – nach tarifrechtlichen Bedingungen, mit Berücksichtigung von wissenschaftlichen Aspekten, ohne Beeinflussung der Politik von außen. Eine Willkür oder schwammige Herangehensweise herrscht bei der Ermittlung des Mindestlohns also nicht. Die Frage bleibt, ob nicht vielleicht andere Kriterien noch in der Festlegung des Mindestlohns miteinfließen sollten wie z. B. die Entwicklung von Mietpreisen in den Großstädten oder generell die Miteinbeziehung der minimal erforderlichen Lebenshaltungskosten.